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Die Ästhetik der Überraschung –
LaborBerlin e. V. fördert analoge Filmproduktionen

(Dieser Artikel wurde ursprünglich auf der Webseite des Goethe Instituts Griechenland veröffentlicht)

Seit fünf Jahren organisiert LaborBerlin e. V. Workshops und Diskussionen zur analogen Filmproduktion. Vom Berliner Stadtteil Wedding aus spinnen die Initiatoren und Mitglieder ein internationales Netzwerk für Filmenthusiasten.

Ein junges Mädchen wirft einen Blick in das Mikroskop auf dem Tisch. Ein Mann, vielleicht ein Wissenschaftler, beobachtet das Mädchen. Parallel erzählt eine Stimme aus dem Off von einer gewissen Maria und ihrer Mutter, die handgewebte Decken auf einem Markt verkaufen. In Juan David Gonzalez Monroys Film How to Catch a Mole ergänzen sich Bild und Ton nicht, sondern driften auseinander. Irritation und Verweigerung einer Geschichte sind die Prinzipien der 9-minütigen Collage. Es geht um etwas anderes, um die Charakterisierung eines Zustands. In immer schneller werdenden Montagen liefert der Film Assoziationen zu den schwierigen Lebensbedingungen von indigenen Bevölkerungsgruppen – eine Collage über gescheiterte Überlebenskämpfe. Juan David Gonzalez Monroy ging von gefundenem historischen Material aus, auch found footage genannt. Der Film des 28-jährigen Kolumbianers entstand in den Entwicklungsräumen des LaborBerlin e. V.

Technische Möglichkeiten diskutieren: Open Screening
Juan David Gonzalez Monroy gehört zu einer international vernetzten Gemeinde von Filmenthusiasten, die sich in Zeiten digitaler Produktionstechnologien ganz den analogen Vorläufern verschrieben haben. Sie arbeiten mit Super-8- und 16mm-Filmen, experimentieren mit Entwicklungsverfahren und analogen Animationstechniken. Genau dafür bietet das LaborBerlin e. V. hervorragende Produktionsbedingungen.

2010 gab es einen wichtigen technischen Neuzugang, einen Tricktisch, wie Michel Balagué, Gründungsmitglied und seit 2009 Vereinsvorsitzender, erzählt: „Wir versuchen mit alten Techniken neue Wege zu finden. Es gibt unter den Mitgliedern Leute mit viel Erfahrung und solche, die gerade am Anfang sind.“ Wichtig sind der Austausch und die Faszination, neue Produktionsprinzipien zu entdecken beziehungsweise Erfahrungen weiterzugeben. Einmal im Monat, beim sogenannten Open Screening, diskutieren die Mitglieder ihre Filme und stellen dabei neue Entwicklungsverfahren sowie technische Experimente vor. „Zum Beispiel so eine Technik wie Solarisierung. Ein Schwarzweißfilm wird nur wenig belichtet und die Bilder, die daraus entstehen, zeigen sowohl Eigenschaften eines Positivs wie die eines Negativs“, erzählt Michel Balagué.

Ideen exportieren: internationale Workshops

Der Reiz analoger Produktionsweisen besteht für Michel Balagué wie für viele seiner Kollegen darin, dass die verwendeten Entwicklungsverfahren Eigengesetzlichkeiten haben, die den Filmer immer wieder überraschen. „Im Gegensatz zum Video sieht man nicht sofort das Endergebnis, sondern man sieht erst, was man gefilmt hat, wenn es entwickelt ist. Dabei entsteht eine eigene Ästhetik“. Beim analogen Film muss man sich auf das Material einlassen, auch auf seine Widerstände. Ein analoger Film kann vor der Entwicklung auch zerknittert, bemalt und beklebt werden.

Daher hat Juan David Gonzalez Monroy einen Workshop in Bejing dem Film ohne Kamera gewidmet: Their Attack is Our Escape. Collage and the Undead Film lautete der Arbeitstitel. In den Sessions erprobten die Kursteilnehmer verschiedene Collage-Prinzipien: Zeitungsausrisse, Fotokopien und Computerdrucke wurden direkt auf den Film geklebt oder projiziert. Für 2012 plant LaborBerlin e. V. ein großes internationales Projekt mit Workshops in drei Städten: Berlin, Athen, Kairo. Erklärtes Ziel ist es, ein neues Labor in Kairo aufzubauen und damit die Szene weiter zu vernetzen.

Ergebnisse feiern: Screenings und Filmfestivals

Unterstützt wird das Projekt von der ECF, der European Cultural Foundation, eine unabhängige Organisation, die kulturelle Kooperationen europaweit initiiert und fördert. Am Ende eines jeden Workshops findet ein internes Screening mit den gerade entstandenen Filmen statt. Doch manche von LaborBerlin befeuerte Produktion gibt es auch öffentlich zu sehen, etwa auf internationalen Filmfestivals. In den vergangenen Jahren wurden einige der analogen Produktionen auch auf dem New York Film Festival und der Berlinale präsentiert. Ein wahnsinniger Erfolg nicht nur für die Filmer, auch für das LaborBerlin!

Astrid Mayerle ist Kulturjournalistin und lebt und arbeitet in München.
Copyright: Goethe-Institut e. V., Internet-Redaktion Oktober 2011

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